Buchbesprechnung - Book review

von Felix Lorenz, Okt 2014

Alan J. Kohn (2014)

Conus
of the Southeastern United States and Caribbean

Princeton University Press, 457 Seiten, viele farbige Textabbildungen und 109 Farbtafeln


Princeton University Press, 457 Seiten, many colored text figures und 109 color plates
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Conus of the Southeastern United States and Caribbean

Titel und Autor des Buches lassen uns bereits aufhorchen: die lang erwartete Fortsetzung des "Manual of the Living Conidae" von Röckel, Korn & Kohn ("RKK") ist da, und schafft endlich Ordnung in das vermeintliche Chaos der West Atlantischen Kegelschnecken. Zu einem Preis von 74 € bekommt man ein großzügig und handwerklich perfekt aufgemachtes Werk, das schon in der Einleitung klar macht: es ist die Fortführung des "RKK" und bedient sich der Errungenschaften moderner Taxonomie. Das Buch ist als Revision auf der Grundlage der Gehäuse gedacht und schließt soweit möglich auch weniger beachtete Merkmale wie Radulae und Eikapseln in die Betrachtung ein. Jede Art und ihre Synonyme sollen beleuchtet und die taxonomischen Entscheidungen eingehend diskutiert werden. In den folgenden Kapiteln werden grundlegende Themen wie Artdefinition, Phylogenetik und Zoogeographie des untersuchten Gebietes besprochen. In Hinblick auf die Entwicklungsgeschichte wird die Karibik in Unterregionen eingeteilt, nach denen sich die Beurteilung der Taxa richten wird. Schließlich werden die Methoden der Gehäuseanalyse und - Charakterisierung erklärt. Dieser Teil entspricht im Wesentlichen der Darstellung in RKK und auch die Box mit den Gehäuseparametern findet wieder Anwendung. Im Systematischen Teil werden ausführlich die als valide akzeptierten Arten beschrieben und verglichen, aufgelockert durch Anekdoten und Informationen über die Autoren oder jene, denen die Art gewidmet ist. Im Abschnitt "Synonymy" werden all jene Taxa, die als Synonyme gelten, aufgelistet und die Gründe für die taxonomischen Entscheidungen erläutert. Auf Farbtafeln und weiteren Textabbildungen werden nicht nur Holotypen und zahlreiche Variationen gezeigt, es gibt auch Abbildungen von Gehäusen, die natürlichen Bewuchs oder den Angriff eines Freßfeindes protokollieren. Hinzu kommt zu jeder Art ein Kasten mit Gehäuseparametern, vergleichende Tabellen und Verbreitungskarten.
 
Die Farbtafeln sind in den Text eingegliedert, so daß eine vergleichende Betrachtung nur durch viel Hin- und Herblättern möglich ist. Die Reihenfolge, in der die Arten besprochen und diskutiert werden, ist ziemlich willkürlich. Es geht mit der ersten aus dem Untersuchungsgebiet beschriebenen Art los. Die Folge: wenn man irgendetwas sucht, muß man schon sehr genau wissen, wo man es eventuell findet. Dazu soll eine 8-seitige Liste im hinteren Viertel des Buches dienen, die alle Namen aufzählt und zeigt, was daraus wurde, allerdings auch nicht alphabetisch sondern in derselben, scheinbar willkürlichen, Reihenfolge. Eine Zusammenfassung zeigt die geographische Verteilung der in dem Buch als valide anerkannten Arten und diskutiert die Gründe für die Vielfalt. Abschließend hängt Kohn ein Kapitel an, das die jüngsten alternativen Konzepte zur Systematik der Kegelschnecken zeigt, beruhend auf molekularen Methoden. Dies widerspricht zwar der im Buch vertretenen Auffassung, daß es nur die Gattung Conus gibt, aber es erweitert den Blick, so scheint es.
 
Zur Identifizierung von Gehäusen ist das Buch ungeeignet. Eine übersichtliche Gliederung der einander ähnlichen Taxa ist nur teilweise vorhanden. Auch wenn das Stöbern in dem aufwändig gestalteten Buch durchaus Freude macht, fragte ich mich schließlich, wofür ist es gut? Die Zielsetzung, die Amerikanischen und Karibischen Arten des Westlichen Atlantiks zu revidieren, bedeutet in diesem Fall: es sind nur noch ca. 50 Arten übrig, bei über 300 Beschriebenen. Eine Menge zum Teil etablierter Taxa ist synonymisiert worden.
Drei Beispiele:

1) Conus sennottorum aus dem Tiefwasser von Yucatan ist nun ein Synonym von anabathrum aus dem Flachwasser Floridas. Weder der Text noch die Abbildungen können mir das verständlich machen. Sie unterscheiden sich in ihrer Gehäusemorphologie, der Musterung, kommen aus unterschiedlichen Subprovinzen und Wassertiefen. Auf der Farbtafel werden diverse unterschiedliche Gehäuse durchweg als anabathrum bezeichnet - und es ist am Leser, herauszufinden, welche davon unter Umständen sennottorum genannt werden würde, wenn man der bislang gängigen Auffassung ist, es handle sich um unterschiedliche Arten. Zudem hätte ich gerne mal die "schwarze Box" mit den Meßdaten von sennottorum im Vergleich gesehen.
 
2) Der cardinalis-Artkomplex. Ehemals als Flagschiff Karibischer Biodiversität und Musterbeispiel von geographischer Einnischung, nun auf einen einzigen Namen reduziert: cardinalis wird zum Auffangbecken von knapp 30 Taxa! Die fünf Tafeln spiegeln Folgendes wider: die Vielfalt ist enorm, und selbst mein ungeschultes Auge erkennt sofort: ja, das sind kulkulcan, das ist richardbinghami, da ist donnae, unverkennbar... doch halt! Der Autor vergleicht diese Vielfalt mit der Variabilität von Homo sapiens und lehnt sie mit der Begründung ab, er könne sie nicht konsistent voneinander unterscheiden. Zu guter Letzt konnte sich dann auch auf Tafel 47 fig. 22 ein Pazifischer Conus coccineus unbemerkt einschleichen. Die Akzeptanzen und Ablehnungen der Taxa wirken auf mich oft willkürlich und schwer nachvollziehbar, bei aller Mühe, die sich der Autor gegeben hat, seine Schritte zu begründen.
 
3) Conus lindae. Diese Art ist unverwechselbar, und jeder, der mal eine gesehen hat, stimmt dem zu. Aber Kohn bildet nur den Holotypus ab und macht ihn zum Synonym von flavescens, der nun wirklich keinerlei Ähnlichkeit mit dem holotypus (und allen weiteren bekannten Exemplaren) von lindae zeigt. Es scheint, als hätte er das reichhaltige Material, das vor ca. 10 Jahren von der Florida Atlantic University gesammelt wurde, nie gesehen.
 
Die Stärken des Buches überwiegen sicher diesen Makel, denn es ist der erste Versuch zur umfassenden Darstellung einer komplexen und kaum zu überschauenden Gruppe. Die Farbtafeln sind hervorragend und der Text voller Informationen. Das Buch eignet sich als Werkzeug für Experten, da es ausführlich Referenzen, Typusmaterial, Meßdaten usw. in kompakter und gründlich recherchierten Weise bereit stellt. Für den Liebhaber der Familie der Conidae ist es eine inspirierende Lektüre, die unterhaltsam, handwerklich perfekt und informativ ist.
 
Dem Anspruch, die problematische Gruppe Karibischer Conidae einer fundierten Revision zu unterziehen, wird es nicht gerecht. Denn wenn es nur aufgrund unzureichender Daten noch nicht gelingt, ein Taxon von einem anderen ohne die Spur eines Zweifels zu unterscheiden, dann darf die Konsequenz nicht dessen Synonymisierung sein.
Conus of the Southeastern United States and Caribbean

Title and author of the book make us sit up: the long-awaited volume 2 of the "Manual of the Living Conidae" by Röckel, Korn & Kohn ("RKK") is here, and hopefully puts some order into the seemlingly chaotic Western Atlantik Cone-shells. At the price of $100 you receive a technically perfect work whose introduction implies: this is the continuation of RKK, embellished by the achievements of modern taxonomic techniques. The book is meant to be a revision on the basis of shell features, but considers also the less popular features such as radulae and egg-capsules. Every species and its synonyms shall be evaluated and taxonomic decisisons shall be thoroughly discussed. In the following chapters, fundamental issues of species-definitions, phylogenetics, and zoogeography of the area of the Western Atlantic, which is split in sub-regions, all of which will be included in the study of the taxa. Next, the methods of morphometris analysis and shell-characterization are shown, basically the same as in RKK, including the black boxes with shell-parameters. The systematic part comprehensively describes and compares those taxa accepted as valid and the respective synonyms, with reasons for the taxonomic decisions.

On color plates and colorful text figures, holotypes and a vast number of variations are shown. In addition, there are pictures of shells with natural attachments and injuries from predators. Every species - discussion is accompained by the box of shell parameters and a distribution-map. The color plates are encorporated in the text so that a comparatison requires browsing back and fourth. The order in which species are presented is arbitrary and starts with the first taxon described from the region. Trying to find a taxon may require knowing quite precisely where to search. An 8-page list towards the last quarter of the book shall aid in that venture, but the names are not listed alphabetically but in the arbitrary order used in the book. A summarizing chapter compares the distributions of those taxa accepted as valid and discussed reasons for the diversity. A concluding chapter demonstrates that modern techniques of molecular analysis reveal that the family Conidae is split in numerous genera. This contradicts the author's understanding that all taxa belong to the genus Conus, but it completes the picture.
 
The book is not suitable to identify shells. An overviewable presentation of similar taxa is only partly given. Although browsing through the beautiful and interesting chapters is a real joy, I am asking myself what this book is for. The aim to revise the American and Caribbean Cones has been achieved if revising means downsizing the number of species. About 50 Species are left of over 300 described ones, a lot of established species had been synonymized.
 
Three examples:
1) Conus sennottorum from deep water off Yucatan is synonymized with Conus anabathrum from the shallow waters of Florida. Text and pictures cannot convincingly demonstrate why. These taxa differ in their shell morphology, pattern, geographic sub-provinces and bathymetry. I would have liked to see a box with comparative measurements of sennottorum. On the color plates, all shells are labelled anabathrum, but I would want to know which shells applied to sennottorum, had that taxon been accepted as valid.
 
2) The cardinalis-complex. The flagship of Caribbean biodiversity is reduced to just one species. The name cardinalis serves as reservoir for nearly 30 taxa! The five color plates reveal the diversity, and even to my untrained eye: there is kulkulcan, and yes, richardbinghami, and there is donnae: unmistakable... but wait: the author compares this diversity with that of Homo sapiens and argues that he cannot find consistent features to separate between them. That's probably the reason why a Pacific Conus coccineus managed to sneak in on plate 47 fig. 22. The reasons for accepting or not accepting taxa as valid species appear arbitrary and difficult to reproduce to me, despite the effort made by the author to explain them.
 
3) Conus lindae. This rare species cannot be confused with any other, and those who ever saw one will agree, but Kohn only illustrates the holotype and synonymizes the name with flavescens, probably the most dissimilar species. It seems like he has never saw the rich material of Conus lindae that was collected by the Florida Atlantic university about 10 years ago.
 
The strong points of the book outweigh its weaknesses. This is the first attempt at displaying and revising this highly complex and difficult to overview group. The illustrations are outstanding, the text is full of information. The book will serve as a tool for experts as it comprises thoroughly researched references, illustrations of type-material, measurements ect. Enthusiasts of the family Conidae will find it inspiring, entertaining and delightful reading.
 
The intention of thoroughly revising this problematic group of Cone shells has not been achieved in my opinion. The lack of information to undoubtedly validate a taxon against another must not inevitably lead to synonymizing it.